Fettzellen unter falschem Kommando
Bonner Forschende untersuchen, wie Zellantennen die Entwicklung von Vorläuferzellen im Fettgewebe regulieren
Bonn, 20. August – Zu viel Fett kann ungesund sein: Entscheidend ist, wie die Fettzellen gebildet werden. Deswegen untersuchte ein Team unter Leitung von Forschenden des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und der Universität Bonn den Einfluss eines Funktionsverlusts von Zilien in Fettvorläuferzellen im Mausmodell. Dabei fanden sie heraus, dass eine Überaktivierung des sogenannten Hedgehog-Signalwegs eine Fehlentwicklung zu bindegewebsartigen Zellen statt weißen Fettzellen bewirkt. Ihre Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift „The EMBO Journal“ veröffentlicht.
Das weiße Fettgewebe speichert Energie und reguliert wichtige Stoffwechselvorgänge im Körper. „Ständig wächst oder schrumpft es, je nachdem, wie viel Energie wir zu uns nehmen und verbrennen. Dabei spielen spezialisierte ‘stammzellartige’ Vorläuferzellen eine besondere Rolle, denn sie haben die Fähigkeit, Fettgewebe nachzubilden“, sagt Korrespondenzautorin Prof. Dagmar Wachten, Co-Direktorin des Instituts für Angeborene Immunität am UKB. Sie ist auch Mitglied im Exzellenzcluster ImmunoSensation2 sowie in den Transdisziplinären Forschungsbereichen (TRA) „Modelling“ und „Life & Health“ der Universität Bonn. Im Gegensatz zu den reifen Fettzellen besitzen die Vorläuferzellen eine kleine Zellstruktur, das Zilium. Primäre Zilien fungieren als eine Art Antenne, mit der die Zellen Signale aus ihrer Umgebung empfangen und spezielle Signalwege regulieren. So beeinflussen sie, ob sich diese zu Fettzellen oder zu bindegewebsartigen Zellen entwickeln. Prof. Wachten resümiert: „Die Regulierung dieser Vorläuferzellen ist entscheidend für die Gesundheit des weißen Fettgewebes bei Fettleibigkeit. Daher wollten wir herausfinden, wie Zilien die Entwicklung der Vorläuferzellen zu Fettzellen steuern.“
Fettgewebe zeigt frühe Umbauprozesse – bereits vor der Entstehung von Fettleibigkeit
Die Bonner Forschenden untersuchten verschiedene Untergruppen der Vorläuferzellen im Fettgewebe in Mäusen, deren Zilienfunktion durch eine genetische Erkrankung – das Bardet-Biedl-Syndrom (BBS) – gestört ist. Menschen mit BBS leiden häufig an Fettleibigkeit und auch Mäuse mit BBS zeigen ein erhöhtes Körpergewicht. Das Forschungsteam fand heraus, dass wenn ein wichtiges Zilien-Protein (BBS8) fehlt, es bereits vor dem Auftreten von Übergewicht zu auffälligen Veränderungen im weißen Fettgewebe kommt. Die stammzellartigen Vorläuferzellen werden weniger, weil sie sich vermehrt in bindegewebsartige Zellen umwandeln. Diese findet man unter anderem im Narbengewebe, wo sie zur Verhärtung von Gewebe beitragen. Deren Funktion im Fettgewebe ist jedoch noch unklar.
Überaktivierung des Hedgehog-Signalwegs treibt Fehlentwicklung an
„Als einen zentralen Schlüssel bei der Fehlentwicklung haben wir den sogenannten Hedgehog-Signalweg identifiziert. Dessen Aktivierung wird normalerweise durch die Zilien streng reguliert“, sagt Co-Erstautorin Katharina Sieckmann, Doktorandin der Universität Bonn in der Arbeitsgruppe von Prof. Wachten am UKB. Alumna des Teams und Co-Erstautorin Nora Winnerling ergänzt: „Ist die Zilienfunktion, wie im Fall von BBS, gestört, wird dieser Weg überaktiv und treibt die Zellen in eine unerwünschte Richtung: weg von ihrer eigentlichen Funktion in der Fettbildung. Der Hedgehog-Signalweg steuert damit das Zellschicksal im weißen Fettgewebe.“
Diese Ergebnisse zeigen, dass Zilien aktiv mitbestimmen, wie sich Vorläuferzellen im Fettgewebe entwickeln und damit, ob gesundes Fettgewebe erhalten bleibt. „Diese Mechanismen könnten bei der Entstehung von Fettleibigkeit eine zentrale Rolle spielen. Die Entdeckung, dass der Hedgehog-Signalweg konkret am Zellschicksal von Vorläuferzellen im Fettgewebe beteiligt ist, eröffnet neue Möglichkeiten, gezielt in die Regulierung von Fettzellen einzugreifen, und so gezieltere Therapien gegen krankhafte Veränderungen während der Fettleibigkeit zu entwickeln“, sagt Prof. Wachten.
Beteiligte Institutionen und Förderung:
Diese Studie wurde im Rahmen des DFG-Sonderforschungsbereichs SFB1454 „Metaflammation and Cellular Programming“ sowie der Forschergruppe FOR5547 „Primary cilia dynamics” durchgeführt. Prof. Wachten ist Sprecherin des Sonderforschungsbereichs 1454 und Co-Sprecherin der Forschergruppe 5547. Neben dem UKB und der Universität Bonn sind die Universitäten Mainz und Münster sowie das Deutsche Zentrum für Degenerative Erkrankungen (DZNE) an der Forschungsarbeit beteiligt.
Publikation: Katharina Sieckmann, Nora Winnerling et al.: BBS8-dependent ciliary Hedgehog signaling governs cell fate in the white adipose tissue; The EMBO Journal; DOI: https://doi.org/10.1038/s44318-025-00524-y
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dagmar Wachten
Department Biophysical Imaging & Molecular Physiology
Institut für Angeborene Immunität
Universitätsklinikum Bonn
Beteiligungen: SFB1454, FOR5547
ImmunoSensation2, TRA “Modelling” & „Life & Health“, Universität Bonn
Telefon: (+49) 228/ 287-51978
E-Mail: Dagmar.Wachten@ukbonn.de
Bildmaterial:
Bildunterschrift: Fettzellen unter falschem Kommando:
(v. li) Katharina Sieckmann, Nora Winnerling und Prof. Dagmar Wachten untersuchen, wie Zellantennen die Entwicklung von Vorläuferzellen im Fettgewebe regulieren.
Bildnachweis: Universitätsklinikum Bonn (UKB) / Rolf Müller
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Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB finden pro Jahr etwa 550.000 Behandlungen von Patient*innen statt, es sind ca. 9.900 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,8 Mrd. Euro. Neben den 3.500 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr über 600 Personen in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht in der Focus-Klinikliste auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW, konnte in 2024 knapp 100 Mio. Drittmittel für Forschung, Entwicklung und Lehre einwerben und weist den zweithöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) der Universitätsklinika in Deutschland auf. Das F.A.Z.-Institut hat das UKB mit Platz 1 unter den Uniklinika in der Kategorie „Deutschlands Ausbildungs-Champions 2024“ ausgezeichnet.