Unsicherheit, die richtige Entscheidung zu treffen
DFG fördert Bonner Forschungsprojekt zu Ambivalenz-Erleben in der medizinischen Versorgung und Seelsorge
Bonn, 08. Oktober – Was macht man, wenn in kritischen Situationen eine richtige Antwort oder Entscheidung schwer zu finden ist. Dieser Frage gehen Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und der Universität Bonn in dem „Koselleck-Programm“ nach. Ziel ist es, Ambivalenz-Erleben nicht als Zeichen von Schwäche, sondern als Ressource im Umgang mit komplexen Situationen zu begreifen – sei es beim Konflikt mit einer/m Patient*in oder der seelsorgerlichen Begleitung in schwierigen Lebenslagen. „Ambivalenzsensible Nachdenklichkeit“, so der Begriff, soll vor allem jungen Ärzt*innen und Theolog*innen helfen, den Umgang mit Mehrdeutigkeit als Teil ihrer beruflichen Kompetenz zu verstehen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das „Koselleck-Programm“, welches neue Impulse für Ausbildung und Berufsalltag setzen soll, mit 1,25 Millionen Euro über fünf Jahre.
Medizinisches Fachpersonal, Seelsorgende, Führungskräfte – sie alle stehen täglich unter dem Druck, die richtigen Antworten zu geben und eindeutige Entscheidungen zu treffen. Demgegenüber steht die Erfahrung, dass die Fragen, die die Menschen ihnen stellen, und die beruflichen Situationen, die sie bewältigen müssen, sehr oft zu vielschichtig und widerspenstig für einfache Antworten sind. Was macht man, wenn das „Richtige“ nicht zu finden ist, das „Wahre“ hartnäckig mehrdeutig bleibt? Prof. Cornelia Richter, Professorin für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn, und Prof. Franziska Geiser, Direktorin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am UKB, wollen neue Impulse für Ausbildung und Berufsalltag setzen und ein neues Konzept der „reflexiven Resilienz“ entwickeln, das Ergebnisse und Konzepte aus beiden Fächern miteinander innovativ kombiniert.
Theoretisches Konzept und praxisnahe Ausbildungsformate
Ausgangspunkt des „Koselleck-Programms“ sind die langjährigen Erfahrungen der beiden Antragstellerinnen in der theoretischen Forschung wie auch in der Anleitung junger Berufsanfänger*innen beider Fächer. Mit ihrer kritischen Hinterfragung des Resilienz-Begriffes und ihrer Wertschätzung von Ambivalenz sind sie bereits auf breite gesellschaftliche und fachliche Resonanz gestoßen. „Es gibt gerade in Zeiten der zunehmenden Komplexität und Beschleunigung ein wachsendes Bedürfnis nach Momenten des Innehaltens, die nicht auf Erholung im Sinne von Leistungsoptimierung zielen, sondern mir erlauben, all die Ambivalenz, die eine Situation mit sich bringt, zu akzeptieren und zu integrieren“, so Prof. Richter, und Prof. Geiser ergänzt: „Das verhindert nicht nur einseitige Perspektiven, sondern führt auch dazu, dass solche Situationen weniger Stress verursachen, und stärkt damit die Resilienz.“ Dafür sei die Kombination beider Fächer ideal. Über Metaphern und Rituale bietet die Theologie zum Beispiel Möglichkeiten des Verstehens und Akzeptierens auch da, wo es keine Klarheiten gibt, und praktiziere verschiedene Formen des Reflektierens. Die Medizin hat dagegen mehr Erfahrung mit praktischen Handlungsleitfäden und psychologischen Erklärungen für Entscheidungssituationen.
DFG-Förderung:
Das Projekt „Entwicklung eines interdisziplinären Konzepts der ambivalenzsensiblen Nachdenklichkeit für die Reflexive Resilienz für junge Fachkräfte im Gesundheitswesen und in Seelsorge/Spiritual Care – kurz Koselleck“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG im Rahmen der neuen interdisziplinären Förderlinie (DFG Projektnr. 560174322) mit 1,25 Millionen Euro über fünf Jahre gefördert.
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. Franziska Geiser
Direktorin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: +49(0)228-287 15256
E-Mail: franziska.geiser@ukbonn.de
Prof. Dr. Cornelia Richter
Evangelisch-Theologische Fakultät
Universität Bonn
Telefon: +49 228 73-4171
E-Mail: cornelia.richter@uni-bonn.de
Bildmaterial:
Bildunterschrift: „Koselleck-Programm“:
(v.li). Prof. Franziska Geiser und Prof. Cornelia Richter gehen der „Ambivalenzsensiblen Nachdenklichkeit“ auf den Grund.
Bildnachweis: Universitätsklinikum Bonn (UKB) / Rolf Müller
Pressekontakt:
Dr. Inka Väth
stellv. Pressesprecherin am Universitätsklinikum Bonn (UKB)
Stabsstelle Kommunikation und Medien am Universitätsklinikum Bonn
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E-Mail: inka.vaeth@ukbonn.de
Zum Universitätsklinikum Bonn: Als eines der leistungsstärksten Universitätsklinika Deutschlands verbindet das UKB Höchstleistungen in Medizin und Forschung mit exzellenter Lehre. Jährlich werden am UKB über eine halbe Million Patienten ambulant und stationär versorgt. Hier studieren rund 3.500 Menschen Medizin und Zahnmedizin, zudem werden jährlich über 600 Personen in Gesundheitsberufen ausgebildet. Mit rund 9.900 Beschäftigten ist das UKB der drittgrößte Arbeitgeber in der Region Bonn/Rhein-Sieg. In der Focus-Klinikliste belegt das UKB Platz 1 unter den Universitätsklinika in NRW und weist unter den Universitätsklinika bundesweit den zweithöchsten Case-Mix-Index (Fallschweregrad) auf. 2024 konnte das UKB knapp 100 Mio. € an Drittmitteln für Forschung, Entwicklung und Lehre einwerben. Das F.A.Z.-Institut zeichnete das UKB im vierten Jahr in Folge als „Deutschlands Ausbildungs-Champion“ und „Deutschlands begehrtesten Arbeitgeber“ aus. Aktuelle Zahlen finden Sie im Geschäftsbericht unter: geschaeftsbericht.ukbonn.de