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Wie wahrscheinlich tritt erneut Darmkrebs auf?

Forschende aus Bonn und Leipzig untersuchen Risikofaktoren für erneut auftretenden Darmkrebs bei Lynch-Syndrom

Bonn / Leipzig, 30. Juni – Eine aktuelle Studie des Deutschen Konsortiums Familiärer Darmkrebs befasst sich mit der Frage, welche Personen mit Lynch-Syndrom ein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines zweiten Darmkrebses entwickeln. Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB), der Universität Bonn und der Universität Leipzig veröffentlichen jetzt ihre Ergebnisse im Fachjournal „Clinical Gastroenterology and Hepatology“.

Das „Hereditäre nicht-polypöse kolorektale Karzinom (HNPCC)“ – kurz Lynch-Syndrom (LS) – ist die häufigste erblich bedingte Risikoerhöhung für Krebs. Es wird geschätzt, dass allein in Deutschland etwa 300.000 Personen betroffen sind. LS erhöht das Risiko für Dickdarmkrebs und andere Krebsarten deutlich und ist für bis zu etwa fünf Prozent aller Dickdarmkrebs-Erkrankungen verantwortlich. Auslöser sind Defekte in Genen, die für die Reparatur der menschlichen Erbsubstanz DNA zuständig sind. Dabei kann es – auch nach zunächst erfolgreicher Behandlung – zu weiteren Dickdarmkrebs-Erkrankungen kommen.

Daher untersuchten Forschende aus Bonn und Leipzig im Namen des Deutschen Konsortiums Familiärer Darmkrebs Risikofaktoren für das Auftreten einen zweiten primären Dickdarmkrebs. „Unser Ziel ist, die personalisierte Versorgung von Menschen mit Lynch-Syndrom zu verbessern“, sagt Co-Senior-Autor Prof. Dr. Jacob Nattermann, Leiter der Sektion Hepatogastroenterologie an der Medizinischen Klinik I des UKB (Direktor: Prof. Christian Strassburg) und Mitglied in dem Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn.

Verbesserte Risikoeinschätzung bei Lynch-Syndrom

Die Studie basiert auf Daten des zentralen Registers des Deutschen Konsortiums Familiärer Darmkrebs. Ausgewertet wurden 852 Personen mit Lynch-Syndrom, die nach einer ersten Dickdarmkrebs-Erkrankung im Verlauf weiter beobachtet wurden. Analysiert wurde, inwieweit Faktoren wie Alter, Geschlecht, genauer Ort der Ersterkrankung und genetische Merkmale mit dem Risiko für eine spätere zweite Dickdarmkrebs-Erkrankung assoziiert sind.

„Etwa jeder fünfte der untersuchten Lynch-Syndrom-Träger entwickelte im Verlauf von durchschnittlich 7,9 Jahren einen zweiten Dickdarmkrebs“, sagt Erstautor Dr. Robert Hüneburg, Sprecher des Deutschen Konsortiums Familiärer Darmkrebs und Oberarzt an der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Bonn, das Teil des Centrums für Integrierte Onkologie (CIO) Bonn ist. „Unsere Ergebnisse tragen zu einer differenzierteren Risikoeinschätzung bei. Die systematische Auswertung genetischer und klinischer Parameter kann helfen, die Nachsorge und Beratung für Betroffene gezielter zu gestalten.“

Erhöhtes Risiko liegt in verschiedenen Genen

Dabei zeigte sich unter anderem, dass das Risiko für eine weitere Dickdarmkrebs-Erkrankung vom betroffenen Gen abhängt. Personen mit Veränderungen in den Genen MLH1 oder MSH2 hatten ein höheres Risiko, als solche mit Veränderungen in MSH6 oder PMS2. Diese sogenannte Genotyp-Stratifizierung – also die Risikobewertung nach genetischem Befund – stellt einen wichtigen Ansatz dar, um individuelle Vorsorgestrategien zu entwickeln.

„Die Analyse basiert auf einer der bislang größten Personengruppe zu dieser Fragestellung“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Christoph Engel, Co-Senior-Autor der Studie und Leiter der Arbeitsgruppe Familiäre Tumorerkrankungen am Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie der Universität Leipzig. „Die langjährige Dokumentation in unserem Register ermöglicht es, auch weniger offensichtliche Risikokonstellationen abzubilden.“

Die Ergebnisse der Studie unterstreichen den Nutzen strukturierter Registerdaten zur Erfassung klinischer Verläufe bei erblichen Tumorsyndromen. Sie bilden eine Grundlage für die Weiterentwicklung risikoadaptierter Nachsorgekonzepte.

Beteiligte Institutionen: Die Studie wurde durch das Deutsche Konsortium Familiärer Darmkrebs unter Leitung des Universitätsklinikums Bonn und der Universität Leipzig durchgeführt. Beteiligt waren zudem Zentren in München, Heidelberg, Dresden, Düsseldorf, Tübingen, Hannover, Hamburg, Bochum und Magdeburg.

Publikation: Robert Hüneburg et al.: Identifying risk factors for metachronous colorectal cancer in Lynch syndrome; Clinical Gastroenterology and Hepatology; DOI: https://doi.org/10.1016/j.cgh.2025.06.040

Wissenschaftlicher Kontakt:

Dr. Robert Hüneburg
Nationales Zentrum für erbliche Tumorsyndrome (NZET)
Oberarzt an der Medizinische Klinik I
Universitätsklinikum Bonn
Tel.: +49/228/28715260
E-Mail: Robert.Hueneburg@ukbonn.de

Bildmaterial:

Bildunterschrift: (v. li.) Priv.-Doz. Dr. Christoph Engel und Dr. Robert Hüneburg untersuchen Risikofaktoren für erneut auftretenden Darmkrebs bei Lynch-Syndrom

Bildnachweis: optimized (li) / Universitätsklinikum Bonn (re) 

Pressekontakt:
Dr. Inka Väth
stellv. Pressesprecherin am Universitätsklinikum Bonn (UKB)
Stabsstelle Kommunikation und Medien am Universitätsklinikum Bonn
Telefon: (+49) 228 287-10596
E-Mail: inka.vaeth@ukbonn.de

Das Centrum für Integrierte Onkologie (CIO Bonn) ist das interdisziplinäre Krebszentrum des Universitätsklinikums Bonn und des Johanniter- Krankenhauses Bonn. Unter seinem Dach arbeiten alle Kliniken und Institute des UKB zusammen, die sich mit der Diagnose, Behandlung und Erforschung aller onkologischen Erkrankungen befassen. Das CIO Bonn gehört zum bundesweiten Netzwerk ausgewählter Onkologischer Spitzenzentren der Deutschen Krebshilfe. Gemeinsam gestaltet dieser Verbund „Centrum für Integrierte Onkologie – CIO Aachen Bonn Köln Düsseldorf“ die Krebsmedizin für rund 11 Millionen Menschen.

Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB finden pro Jahr etwa 500.000 Behandlungen von Patient*innen statt, es sind ca. 9.500 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,8 Mrd. Euro. Neben den 3.500 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr 550 Personen in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht in der Focus-Klinikliste auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW, hatte in 2023 in der Forschung über 100 Mio. Drittmittel und weist den zweithöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf. Das F.A.Z.-Institut hat das UKB mit Platz 1 unter den Uniklinika in der Kategorie „Deutschlands Ausbildungs-Champions 2024“ ausgezeichnet.

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