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ADHS: Üben in der Psychotherapie lohnt sich

Bonner Expertin Prof. Alexandra Philipsen zu Therapie von ADHS im Erwachsenenalter anlässlich aktueller Publikationen

Bonn, 23. Februar – Erwachsene mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leiden unter Konzentrationsstörungen, Hyperaktivität und Impulsivität. Sie lassen sich leichter ablenken und können sich schwerer in ihrem Alltag organisieren. Um besser mit den ADHS-Symptomen klarzukommen, entwickeln viele erwachsene Betroffene Strategien und holen sich meist erst ärztliche Hilfe, wenn sie Probleme im beruflichen und privaten Leben haben. Oft ist dann aufgrund des hohen Leidensdrucks eine Pharmako- und/oder Psychotherapie indiziert. Prof. Alexandra Philipsen, Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und Mitglied in dem Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn, äußert sich zu aktuellen Forschungsergebnissen. Ihr Forschungsschwerpunkt ist Entwicklung und Evaluation störungsorientierter Psychotherapiekonzepte (zum Beispiel COMPAS-Studie) und pharmakologische Studien zur Spannungsregulation und Impulskontrolle insbesondere bei ADHS:

 

Können laut der COMPAS-Studie, die unter Ihrer Leitung durchgeführt wurde, Methylphenidat und psychotherapeutischen Interventionen Betroffenen helfen. Was liefert die besten Therapieergebnisse?

Prof. Philipsen: „Auf die Kernsymptome der ADHS wirken die Medikamente, in unserer Studie Methylphenidat, am besten. Aber im Hinblick auf Alltagsfunktionalität und allgemeine Wirksamkeit finden sich Vorteile durch eine Kombination aus Medikation und einer strukturierten Verhaltenstherapie – – hier dialektisch behaviorale Gruppentherapie, kurz DBT – mit Elementen von Achtsamkeit, Gefühlsregulation und Fertigkeiten zur Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen.“

 

Bisher wurde der Einfluss Therapietreue und Behandlungsakzeptanz auf die klinischen Ergebnisse bei Erwachsenen mit ADHS nicht betrachtet. Der kürzlich erschienene Fachartikel in der renommierten Fachzeitschrift „Psychotherapy and Psychosomatics“ schließt diese Lücke. Was sind die Ergebnisse Ihrer Studie?

Prof. Philipsen: Unsere Ergebnisse zeigen klar, dass es sich – gerade bei ADHS – lohnt ein besonderes Augenmerk auf die regelmäßige Teilnahme an der Therapie zu legen sowie bei der tatsächlichen Anwendung und Erprobung der vermittelten Strategien oder Skills im Alltag therapeutisch sinnvoll zu unterstützen. Je mehr diese auch angewendet wurden, desto besser war der Therapieerfolg vor allem im Hinblick auf das allgemeine Wohlbefinden. Sport und Achtsamkeit wurden von den Teilnehmenden übrigens als besonders hilfreich erlebt und die Information über mögliche weitere Begleiterkrankungen wie Depression sehr geschätzt. Interessant ist auch, dass die Medikation als weniger wirksam eingeschätzt wurde, wenn keine strukturierte Gruppentherapie begleitend angeboten wurde, das heißt auch keine neuen Strategien zum konkreten Umgang mit Alltagsproblemen vermittelt wurden und damit auch nicht von den Teilnehmenden zur Anwendung kamen.

 

Ganz neu ist jetzt der jetzt erschienene Übersichtsartikel zu ADHS in der renommierten Fachzeitschrift Nature Prime Reviews, bei der sie deutschlandweit als einzige Co-Autorin beteiligt sind. Welchen Part übernehmen Sie?

Prof. Philipsen: Wir Autoren und Autorinnen haben unseren wissenschaftlichen Schwerpunkten entsprechend unterschiedliche Kapitel federführend bearbeitet, aber natürlich den gesamten Text kritisch diskutiert und korrigiert. Meine Hauptverantwortung im Manuskript lag auf dem Behandlungsteil und hier vor allem der psychotherapeutischen Behandlung sowie auf dem Einfluss der ADHS auf die Lebensqualität, die beispielsweise durch Schwierigkeiten in Ausbildung und Beruf oder konflikthafte zwischenmenschliche Beziehungen beeinträchtigt sein kann.

 

Wie sieht Ihr Fazit für die heutige Therapie von Erwachsenen mit ADHS aus?

Prof. Philipsen: Mein Fazit ist, dass wir zwar einerseits sehr gute medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten haben, aber doch alle therapeutischen Möglichkeiten wie zum Beispiel die strukturierte DBT-basierte Gruppentherapie oder regelmäßige körperliche Aktivität gerade im Hinblick auf die Alltagsfunktionalität und auch Zufriedenheit der Patienten und Patientinnen nutzen sollten. Die Behandlung sollte einerseits transparent und aufklärend sein, auf der anderen Seite motivierend und abwechslungsreich, um die regelmäßige Teilnahme und den Transfer der Strategien in den Alltag zu fördern – für einen bestmöglichen Erfolg unserer Patienten und Patientinnen.

Publikationen:
Carlos López-Pinar et al; Exploring the Relationship between Adherence to Therapy, Treatment Acceptability, and Clinical Outcomes in Adults with Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder: Results from the COMPAS Multicenter Randomized Controlled Trial; Psychotherapy and Psychosomatics; DOI: https://doi.org/10.1159/000532043

Stephen V. Faraone et al; Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder; Nature Prime Reviews; DOI: https://doi.org/10.1038/s41572-024-00495-0

Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. Alexandra Philipsen
Stellvertretende Ärztliche Direktorin und Vorstandsmitglied, Universitätsklinikum Bonn
Direktorin der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Bonn
TRaA „Life & Health“, Universität Bonn
Tel.: +49 228 287-15723
E-Mail: sekretariat.psychiatrie@ukbonn.de

Bildmaterial:

 Prof. Philipsen - Portrait

Bildunterschrift: ADHS –  Üben in der Psychotherapie lohnt sich
Bonner Expertin Prof. Alexandra Philipsen zu Therapie von ADHS im Erwachsenenalter anlässlich aktueller Publikationen
Bildnachweis: privat

Pressekontakt:
Dr. Inka Väth
stellv. Pressesprecherin am Universitätsklinikum Bonn (UKB)
Stabsstelle Kommunikation und Medien am Universitätsklinikum Bonn
Telefon: (+49) 228 287-10596
E-Mail: inka.vaeth@ukbonn.de

Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB werden pro Jahr etwa 500.000 Patient*innen betreut, es sind ca. 9.000 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,6 Mrd. Euro. Neben den 3.500 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr 550 Personen in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht im Wissenschafts-Ranking sowie in der Focus-Klinikliste auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW und weist den dritthöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf. Das F.A.Z.-Institut hat das UKB 2022 und 2023 als Deutschland begehrtesten Arbeitgeber und Ausbildungs-Champion unter den öffentlichen Krankenhäusern in Deutschland ausgezeichnet.

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