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In 11 Minuten vom Meer zum Berg

Für die Rückfahrt mit dem Rad sollte man sich Zeit lassen:

Was in Bonn wohl noch einige Zeit dauern wird, im kleinen Montenegro, der früheren Teilrepublik Jugoslawiens, gibt es sie seit kurzem: eine Seilbahn. Sie ist nicht – wie in Bonn geplant – Teil des öffentlichen Personennahverkehrs, sondern rein touristisch. Wie in Bonn handelt es sich um eine Einseilumlaufbahn. Und Bonn kann Einiges lernen aus Montenegro.

Bemerkenswert: Innerhalb nur eines Jahres wurde die 3,9 Kilometer lange Seilbahn von der Leitner AG mit Sitz in Sterzing in Südtirol zusammen mit einem lokalen Bauunternehmen gebaut. In diesem Sommer, am 13. Juli, dem Nationalfeiertag, wurde sie in Betrieb genommen. In Montenegro hat die Seilbahn 19 Stützen, weist stellenweise eine Neigung von 45 Grad auf, und ist nach Angaben des Herstellers besonders leise und sparsam beim Energieverbrauch.

Die Seilbahn überwindet auf der Strecke zwischen der Weltkulturerbe-Stadt Kotor und dem Gebirgsmassiv Lovćen 1316 Höhenmeter. Startpunkt ist der Ort Dub in der Nähe von Kotor. Vorläufige Endstation ist 1.348 Meter über dem Meeresspiegel in der Ortschaft Kuk. Dort wird noch kräftig an der touristischen Infrastruktur gearbeitet, aber ein Fahrradverleih und ein Pumptrack sind bereits in Betrieb.

Vorläufige Endstation, weil es (wie in Bonn) Überlegungen gibt, die neue Seilbahn später zu verlängern. Sie könnte künftig von der Bergstation weiterführen bis nach Cetinje, der alten Hauptstadt Montenegros. Und dabei auch Zwischenstationen wie das Njegoš-Mausoleum auf dem Gipfel des Jezerski Vrh (1657 m) bedienen. Dort ist Petar II. Petrović Njegoš beigesetzt. Der Fürstbischof von Montenegro (1813 – 1851) gilt als einer der bedeutendsten Dichter des serbischen Sprachraums und Schöpfer eines modernen Staates in Montenegro.

Die Investition von rund 24 Millionen Euro, laut Montenegros Premierminister Dritan Abazovic das bedeutendste Infrastrukturprojekt in der Geschichte des Landes, soll den Tourismus ankurbeln und helfen, die wenig besuchten Berggebiete zu erschließen. Die Küstenregion mit dem für das Mittelmeer einzigartigen Fjord und seine zahlreichen Buchten ist im Sommer oft überlaufen, vor allem dann, wenn das kleine Kotor mit seiner 2000-jährigen Geschichte von den Touristenströmen geflutet wird, die die regelmäßig anlegenden Kreuzfahrtschiffe morgens ausspucken und am Abend wieder in ihre Vollpension an Bord nehmen.

Die Seilbahn mit 48 Kabinen für jeweils zehn Personen kann 1200 Passagiere pro Stunde transportieren. Die Fahrzeit von der Talstation Dub zur Bergstation Kuk beträgt elf Minuten, die einfache Fahrt kostet ohne Ermäßigung 13 Euro. Leider werden derzeit keine Fahrräder mitgenommen. Dafür gibt es oben den Verleih, die Räder können an der Talstation abgegeben werden.

Die 24 Kilometer lange Abfahrt lohnt sich, sie bietet einzigartige Blicke auf die traumhafte montenegrinische Landschaft mit ihrem zerklüfteten Karstgebirge, die Bucht von Kotor und auf die Hafenstadt Tivat an der Adria. Wer sich mehr Zeit nimmt: von der Bergstation aus gibt es geführte Radtouren in den Nationalpark Lovćen.

Montenegro hat zahlreiche weitere lohnenswerte Ziele für Radtouristen. Zum Beispiel die Tara-Schlucht, mit 1300 Metern die tiefste Schlucht Europas, den Skutarisee, der bis nach Albanien hinüberreicht, oder die künstliche Kircheninsel Gospa od Škrpjela bei Perast, die auf mit Steinen beladenen gesunkene Schiffen errichtet wurde.

Radreisende nähern sich per Bahn Montenegro bis ins italienische Ancona oder Bari und nehmen dann die Fähre nach Bar (nur im Sommer). Die ÖBB Nightjets nach Ljubljana und Zagreb nehmen derzeit leider noch keine Fahrräder mit. Tipp für Bahnfreunde: Die Eisenbahnstrecke Bar–Belgrad ist mit 254 Tunneln und 243 Brücken eine der größten Leistungen der europäischen Bahngeschichte. Die 476 km lange Strecke, die Belgrad mit dem Mittelmeerhafen Bar verbindet, wurde 1976 fertiggestellt. 25 Jahre Bauzeit brauchten die Jugoslawischen Staatsbahnen (JŽ) damals dafür. Die Strecke war seinerzeit das teuerste Infrastrukturprojekt der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien.

Bildmaterial:

Seit Juli ist die neue Seilbahn Kotor – Lovćen in Montenegro in Betrieb. Gebaut wurde sie in nur einem Jahr

Bildnachweis: Leitner

Riesenspaß: Rauf mit der Seilbahn – runter mit dem Rad

Bildnachweis:Bernhard Meier

Bernhard Meier
www.montenegro.travel
www.veloexperience.me
www.kotorcablecar.com

Artikel aus dem ADFC-Mitgliedermagazin Rückenwind (als PDF Download)

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